Samstag, 24. Januar 2009
 
Ungarns rassistische Grundstimmung PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Dienstag, 4. November 2008

In Ungarn wurden am Wochenende zwei Roma nach einem Brandanschlag auf ihr Haus erschossen. Die Polizei will rassistische Hintergründe nicht ausschliessen.

Egal, ob es wucherische Geldverleiher oder rechtsextreme Schläger waren, die den Mord an zwei ungarischen Roma am vergangenen Wochenende zu verantworten haben: die Täter fühlten sich sicher, da Gewalttaten gegen Vertreter der Minderheit praktisch nie geahndet werden. Ungarn pflegt zwar für den Tourismus die Klischees von Zigeunerromantik und in den teuren Restaurants darf der fiedelnde „Cigan“ nicht fehlen, doch wie die Roma wirklich leben, bekommt ein Tourist nicht zu sehen. Ja auch die meisten Ungarn haben noch nie einen Fuß in einen der verwahrlosten Roma-Slums gesetzt, wo die Strassen nicht gepflastert sind, sauberes Trinkwasser fehlt und die Stromversorgung besonders oft zusammenbricht.

Der Wirtschaftsboom, der Westungarn und Budapest in vielen Indikatoren an das EU-Niveau herangeführt hat, ist am Osten und speziell an den Wohngebieten der Roma spurlos vorübergegangen. Die aggressive Grundstimmung gegen die als verschlagen und diebisch geltende Minderheit wird durch manche Medien noch verstärkt. Und Lokalpolitiker können sich des Beifalls der Mehrheit sicher sein, wenn sie die Auszahlung von Arbeitslosengeld an Roma an die Verrichtung von gemeinnütziger Arbeit knüpfen. Dass die meisten gerne Lohnarbeit verrichten würden aber – nicht zuletzt wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit – keinen Job finden, wird nicht zur Kenntnis genommen.

Unter dem kommunistischen Regime wurden die Roma sesshaft gemacht, gleichzeitig zwang man sie aber, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Seit der Wende wird es mit der Schulpflicht nicht mehr so ernst genommen. Für die verelendeten Roma sind die Kinder wertvolle Arbeitskräfte. Von Bildung versprechen sie sich wenig. Die Ausgegrenzten wissen, dass sie gegen die Vorurteile der Mehrheitsgesellschaft keine Chance haben.

Je mehr sich die politische und wirtschaftliche Krise in Ungarn vertieft, desto mehr Zulauf erhalten rechtsextreme Gruppen. Bewaffnete Milizen mit nationalistischen und faschistoiden Parolen springen aus dem Boden. Nach Ausschreitungen bei Demonstrationen wurden zwar Gewalttäter festgenommen. Mehr als eine bedingte Haftstrafe musste aber kaum einer einstecken obwohl die Opfer zum Teil Polizisten waren. Kein Wunder, dass man für ein Verbrechen an „Zigeunern“ kaum mit Verfolgung und Strafe rechnet.



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